GORE® Cover Systemtechnologie

Interview mit Ulf Harig

Die überarbeitete Waste Framework Directive (Richtlinie 2018/851/EU, §10) schreibt vor, dass bis Ende 2023 Bioabfälle entweder getrennt gesammelt oder an der Quelle recycelt werden. Gemeinden müssen sich daher mit den verschie­denen Kompostierungssystemen auseinanderset­zen, um die zukünftig anfallende Organik sinnvoll zu behandeln. Derzeit gibt es ca. 3800 Kom­post­anlagen in Europa, laut Prognose werden es in 2030 zweimal so viel sein. Eine kosten- und ökoeffiziente Möglichkeit zur Produktion von hochwertigem Qualitätskompost ist der Einsatz von speziellen semipermeablen Membranen – eine mo­derne Technologie zur betrieblichen Einhau­sung von Kompostierungsanlagen.

Einer der Marktführer auf diesem Gebiet ist die GORE® Cover Systemtechnologie von W.L. GORE & Associates. Ulf Harig startete vor rund 20 Jahren als Geschäftsleiter für die Behandlung fester Abfälle bei W.L. GORE & Associates. Im Interview spricht der Experte über die Herausforderungen und Chancen der Branche angesichts der neuen Verordnung.

Vor welchen Herausforderungen steht die Kompostierungsbranche derzeit?

Ulf Harig: Die Herausforderungen liegen vor allem in der Sammlung. In Europa fallen jährlich etwa 130 Millionen Tonnen Bioabfall an, von denen heute weniger als die Hälfte getrennt gesammelt werden. Eindeutig eine verpasste Chance, denn nur getrennter Bioabfall kann kompostiert werden. Und wenn wir noch mal weiter herauszoomen und die ganze Welt betrachten, sprechen wir von über einer Milliarde Tonnen Bioabfall jährlich. Eine unglaubliche große Summe. Man kann diese entweder als Gefahr für die Umwelt sehen, oder – und das wäre die positive Sichtweise – als Chance begrüßen: Es gibt weltweit ein großes Potenzial, auf nachhaltige Weise hochwertigen Kompost herzustellen, mit dem wir dem Boden wertvolle Mineralien zurückgeben.

Was sind die allgemeinen Herausforderungen beim eigentlichen Kompostierungsprozess?

Ulf Harig: Es gibt drei Bereiche, die eine Herausforderung darstellen: Geruch, Wasser und die erforderliche Fläche. Das größte Problem ist, insbesondere bei der offenen Kompostierung, sicherlich der Geruch, vor allem für die Anwohner. Denn bei der Kompostierung wird aufgrund von chemischen Prozessen Gas freigesetzt – und damit auch Geruch. Bei den Emissionen handelt es sich um Ammoniak sowie flüchtige organische Verbindungen (VOC, volatile organic compounds), der Oberbegriff für alle Chemikalien, die verdampfen und Kohlenstoff enthalten. Aus Sicht des Umweltschutzes sollten wir die Freisetzung dieser Gase in die Atmosphäre vermeiden.

Die zweite Herausforderung ist das Wasser. Ein Komposthaufen braucht ausreichend Feuchtigkeit, damit der Verrottungsprozess stattfinden kann. Er darf also nicht austrocknen, aber gleichzeitig auch nicht zu nass werden, also muss er vor zu viel Wasser geschützt werden, während die bestehende Prozessfeuchtigkeit erhalten bleiben muss.

Der letzte Punkt, der eine Herausforderung darstellt, ist die Fläche, d. h. die Größe der Kompostieranlage. Eine günstige Größe einer Miete ist zum Beispiel 8 m breit, 3 m hoch und bis zu 50 m lang. Das erfordert eine große Fläche und damit natürlich entsprechend dem Platzbedarf eine hohe Investition.

Welche Kompostierungstechnologie können Sie empfehlen?

Ulf Harig: Es gibt im Grunde zwei Möglichkeiten für die Kompostierung: offene oder geschlossene Systeme. Die geschlossenen Mieten mit Gebäude und Biofilter erfordern eine komplizierte Luftbehandlung, um einen aeroben Kompostierungsprozess zu ermöglichen. Diesem Prozess muss in der Regel Wasser zugeführt werden, und es müssen zur Reduzierung von VOCs und Ammoniak große Luftmengen gefiltert werden, was diese Art von Kompostierung sehr energieintensiv macht. Die offenen Systeme haben das Problem, die gewünschten Parameter unter verschiedenen Wetterbedingungen – wechselnde Temperatur, Sonnenschein und Niederschlag – konstant zu halten.

Mit der GORE® Cover Systemtechnologie erhält man das Beste aus beiden Welten – die Abdeckung, bzw. betriebliche Einhausung, die Kompostierungsanlage mit einer speziellen semipermeablen Membrane, die die Vorteile und die Effizienz eines geschlossenen Systems bietet bei niedrigen Kosten. Sie ist mit einer positiven Belüftung und einem Sauerstoff- und Temperaturüberwachungsgerät ausgestattet. Das schafft ideale Kompostierungsbedingungen und macht kostspielige Luftbehandlungssysteme wie einen Biofilter überflüssig.

Wie wird GORE® Cover den Herausforderungen bei der Kompostierung gerecht?

Ulf Harig: Die GORE® Cover Systemtechnologie nutzt eine semipermeable Membrane, d.h. Regenwasser kommt nicht hinein, aber die eingeblasene Luft kann aus dem Rottegut entweichen. Bei der Verrottung des Bioabfalls entsteht Wärme und Wasserdampf. Grundsätzlich ist die Außentemperatur niedriger als die Temperatur in der Kompostmiete, dadurch kommt es zur Kondensation an der Innenseite des GORE® Covers. Die Poren der Membrane ermöglichen, dass nur noch ein geringer Anteil an Wasserdampf ausgelassen wird, und somit eine optimale Feuchtigkeit im Rotteprozess verbleibt. Durch die Belüftung wird Sauerstoff eingeblasen, der durch die Membrane wieder entweichen kann, was sehr wichtig ist, da Kompostierung ein aerober Prozess ist, d. h. Sauerstoff wird benötigt. Auch der Herausforderung Geruch wird die Technologie gerecht: Mit der GORE® Cover Membrane können wir immer mehr als 90 % der Gerüche reduzieren.

Im Vergleich zur offenen Miete brauchen wir zudem viel weniger Platz. Da der Kompostierungsprozess durch die Membrane und die aktive Belüftung optimiert wird, können wir eine höhere Kompostmiete planen und so viele Quadratmeter Boden einsparen. Dementsprechend muss zum Beispiel auch weniger Sickerwasser aufgefangen und verarbeitet werden. So werden nicht nur die Investition für die Anlage, sondern auch die Betriebskosten reduziert: Kompostieren mit der GORE® Cover Systemtechnologie ist überaus kostenfreundlich.

Ein weiterer Vorteil des Systems ist, dass die Behandlungszeit reduziert werden kann: Wir können mit GORE® Cover einen guten Kompost in 2 Monaten herstellen. Auch die Ökoeffizienz lässt sich sehen: Die Membrane ist nämlich sehr langlebig und wird nicht durch Mikroben oder Bakterien angegriffen. Mit einer Lebensdauer von durchschnittlich 8 Jahren ist sie eine der nachhaltigsten Lösungen im Markt.

Weltweit gibt es mehr als 300 Anlagen mit der GORE® Cover Systemtechnologie. Wir haben ausschließlich positive Rückmeldungen zu unserem System erhalten, was sich in vielen langjährigen Kundenbeziehungen wiederspiegelt.

Welcher Bioabfall kann mit der GORE® Cover Systemtechnologie kompostiert werden?

Ulf Harig: Die Abdeckung ist für verschiedene Arten von organischem Abfall geeignet, sowohl Grünabfälle, Küchenabfälle, die Biotonne, als auch Gärreste können mit der gleichen Membrane in hochwertigen Kompost umgewandelt werden. Zu Beginn eines jeden Kompostierungsprozesses müssen verschiedene Parameter eingestellt werden – beispielsweise muss der Wassergehalt bei ca. 65 % liegen, auch sollte das Kohlenstoff-Stickstoff-Verhältnis angepasst werden. Da diese gewünschten Parameter für die verschiedenen Arten von organischen Abfällen immer gleich sind, reicht eine Version der Abdeckung aus. GORE® Cover eignet sich nicht nur für verschiedenen organische Abfallarten, sondern auch für verschiedene Anlagengrößen – von klein bis groß. Das System ist sehr flexibel.

Welche Entwicklungen in der Kompostierung werden derzeit erforscht?

Ulf Harig: Kompostierung gibt es schon seit Jahrtausenden, es gibt jedoch zwei spannende Entwicklungen, die erforscht werden: Biogas und Insektenzucht. Lebensmittelabfall, also Küchenabfälle, eignen sich hervorragend für Biogas. Aus Biogas können wir Biomethan erzeugen, das anstelle von Erdgas verwendet werden kann. Die Energiekrise hat wieder einmal deutlich gemacht, wie wichtig Alternativen zum Gas sind. Der Gärrest aus der Biogasproduktion geht übrigens in die Kompostieranlage zur maximalen Verwertung.

Die zweite Entwicklung betrifft die Insektenzucht. Es gibt Bioabfälle, die sich sehr gut als Substrat für die Insektenzucht eignen. Die meiste Erfahrung haben wir mit dem Mehlwurm, aus dem wir gute Proteine gewinnen können, die zum Beispiel Soja als Futtermittel ersetzen können. Und das Schöne ist, dass auch hier die Reste wieder der Kompostierung zugeführt werden. So wird der Kreislauf, die Kreislaufwirtschaft, sinnvoll genutzt.

In die Zukunft geblickt: Welche Herausforderungen bringt die Forderung
der Waste Framework Directive mit sich?

Ulf Harig: Zunächst einmal sind wir Experten sehr froh über die Richtlinie. Jetzt ist endlich festgelegt, was zu tun ist: Bioabfälle müssen getrennt gesammelt werden und es gibt eine klare Frist dafür. Alle Mitgliedsstaaten müssen das einführen – und das ist auch gut so. Für einige Länder wird es jedoch eine große Herausforderung sein.

Wir wissen, welche Investitionen wir tätigen müssen, wie wir die Anlagen betreiben müssen, aber einen Punkt dürfen wir nicht vergessen: Alle Haushalte müssen sich beteiligen, was bedeutet, dass wir eine sehr starke Kommunikation brauchen. Wir sollten uns überlegen, wie wir die Haushalte motivieren können, ihren Abfall zu trennen. Und zwar richtig zu trennen. Denn wenn nur 5 % der organischen Abfälle nicht passen, d. h. Fremdstoffe enthalten, können sie nicht als Kompost verwendet werden. Kein Landwirt wird Kompost mit Verunreinigungen aus Plastik oder Glas verwenden können. Deshalb ist die getrennte Sammlung an der Quelle – nämlich in den Haushalten – so wichtig, denn jeder trägt eine persönliche Verantwortung für die Qualität des Endprodukts Kompost. Darüber hinaus muss der Kreislauf geschlossen werden. Es bringt wenig, wenn organische Abfälle gesammelt und zu Kompost verarbeitet werden, dieser Kompost aber nicht wiederverwendet wird. Deshalb ist es wichtig, dass sich auch die Landwirte aktiv beteiligen und Kompost für ihre Bewirtschaftung einsetzen.

Optimistisch betrachtet werden wir wohl in 10 Jahren in Europa über 130 Mio. t Bioabfall haben, von denen wir hoffentlich dann über 90 % im Kreislauf nutzen werden.

Ulf Harig startete vor rund 20 Jahren als Geschäftsleiter für die Behandlung fester Abfälle bei W.L. GORE & Associates. In dieser Zeit war er an der Marktentwicklung der GORE® Cover Systemtechnologie beteiligt. Der Ingenieur für Produktion und Logistik ist ein ausgewiesener Experte für die Behandlung von organischen Abfällen in Bezug auf den globalen Bedarf und hohe Kompostqualitäten.

www.gore.com

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