„Vermarktung“ im Gründruck

Ein neuer Baustein der Richtlinie VDI 2343 „Recycling elektrischer und elektr(on)ischer Geräte“– Blatt 6

Im Rahmen der VDI Richtlinienarbeit werden anerkannte Regeln der Technik in freiwilliger Selbstverantwortung von Fachleuten der interessierten Kreise in ehrenamtlicher Arbeit erstellt. Dabei sind die Ziele und Grundsätze der VDI Richtlinie 1000 einzuhalten. Alle berechtigten Interessen müssen in einem Richtlinienausschuss angemessen vertreten sein.

Der Richtlinienausschuss VDI 2343 „Recycling von elektr(on)ischen Geräten“ wurde schon 1996 von Dr. Ralf Brüning initiiert und wird bis heute von ihm geleitet. Aktuell hat der Ausschuss mehr als 120 Mitglieder und ist geprägt von einer großen Vielfalt der beteiligten Interessensgruppen und Akteure. Die Mitglieder kommen z.B. aus den Bereichen Entsorgungsbetriebe, Hersteller von Elektro- und Elektronikgeräten, Rechtsanwälte, Hochschulen, Logistiker, Sozialbetriebe, Behörden, Vertreiber, Umweltverbände, Hüttenbetriebe, Kunststoffverwerter etc.

Der Richtlinienausschuss VDI 2343 - Recycling von elektr(on)ischen Geräten“

Das Ziel der Richtlinienarbeit ist es, praxistaugliche und rechtskonforme Handlungsempfehlungen zu entwickeln, um die betroffenen Kreise in ihrer Arbeit zu unterstützen. In der Anfangszeit des Ausschusses galt es, insbesondere Standards für die Entsorgung von Elektr(on)ikgeräten zu schaffen, da es noch an gesetzlichen Regelungen fehlte. Heute stellt die Richtlinie eine Ergänzung der gesetzlichen Regelwerke dar.

Das Themenfeld des Recyclings von Elektro(nik)(alt)-geräten (EAG) ist dabei geprägt von der Vielschichtigkeit der eingesetzten Materialien und der Komplexität der Behandlungskette sowie der beteiligten Akteure. Aufgrund der Komplexität der Behandlungskette, wurde die VDI Richtlinie 2343 in 7 einzelne Blätter unterteilt. Die Gliederung der 7 Blätter folgt dem logistischen Fluss der (Alt)geräte entlang der Recyclingkette:

Blatt 1: Stand der Gesetzgebung, Grundlagen undÜbersicht

Blatt 2: Logistik

Blatt 3: Demontage

Blatt 4: Aufbereitung

Blatt 5: Stoffliche und energetische Verwertung und Beseitigung

Blatt 6: Vermarktung

Blatt 7: Reuse

Die Blätter der Richtlinie werden zweisprachig in Deutsch und Englisch veröffentlicht. Das Blatt 6 „Vermarktung“ erscheint Ende 2018 im Gründruck. Deshalb sollen die Inhalte dieses Blattes hier näher vorgestellt werden.

Das Blatt 6 „Vermarktung“

In Zeiten von volatilen Märkten und sich schnell ändernder gesetzlicher Rahmenbedingungen stellt eine optimale Vermarktung der in EAG enthaltenen Stoffe ein anspruchsvolles Unterfangen dar. Das Blatt Vermarktung soll dafür sorgen, dass die Wertstoffe, die in den Altgeräten enthalten sind, nach dem Ende des Gebrauchs dem Wirtschaftskreislauf wieder verfügbar gemacht werden. Darüber hinaus sollten gezielte Maßnahmen die Umwelt vor der Freisetzung von in den Geräten notwendigen und nützlichen, sonst aber schädlichen Stoffen schützen.

Um Handlungsempfehlungen zur Erreichung dieser Zielstellung zu geben, ist das Blatt 6 in die nachfolgenden drei Hauptkapitel untergliedert:

Rechtlicher Teil

Technischer Teil

Wertstoffsystematik

Im rechtlichen Teil, werden Regelungen und Vorschriften, die für die Vermarktung von Stoffen aus EAG besonders relevant sind, komprimiert vorgestellt. Dabei werden der Transport und der Export von EAG fokussiert.

Im Bereich Transportrecht werden zunächst wichtige Rechtsgrundlagen nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) und den auf seiner Grundlage ergangenen Regelungen zusammenfassend dargestellt. Thematisiert werden Erlaubnis- und Anzeigepflichten, Kennzeichnungspflichten, Nachweispflichten sowie Sanktionen bei Verstößen.

Im Bereich Gefahrgutrecht wird ein kurzer Überblick über die wichtigsten nationalen (z.B. Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBefG)) und internationalen (z.B. Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR)) Anforderungen gegeben. Neben den Vorschriften zu bestimmten Stoffen werden im Blatt Vermarktung die wesentlichen Pflichten der Beteiligten bzgl. des Transportrechts behandelt. Dargestellt werden z.B. Pflichten des Absenders, Beförderers, Empfängers etc.

Darüber hinaus wird in der Richtlinie das für die Vermarktung relevante Thema des Exports von EAG behandelt. Dieser unterliegt den Vorschriften des Abfallverbringungsrechts. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang insbesondere das Baseler Übereinkommen, die EG-Abfallverbringungsverordnung (AVV) und das Abfallverbringungsgesetz (AbfVerbrG). Um festzustellen, ob das Abfallverbringungsrecht zum Tragen kommt, ist zunächst zu klären, ob es sich um EAG und damit um Abfall handelt. Handelt es sich um Gebrauchtgeräte, gelten das Abfallverbringungsrecht und die abfallrechtlichen Bestimmungen nicht. In der Richtlinie wird ein Überblick über die Abgrenzung zwischen Alt- und Gebrauchtgeräten gegeben und auf erforderliche Prüfungen und Belege eingegangen. Bei der Verbringung von EAG ist zu unterscheiden, ob diese verwertet oder beseitigt werden sollen. In der Richtlinie werden beide Optionen thematisiert. Dabei wird jeweils unterschieden, ob es sich um eine Verbringung innerhalb der EU oder um eine Ausfuhr aus der EU handelt.

Im Technischen Teil der Richtlinie wird die Bildung und Vermarktung von Fraktionen bei der Aufbereitung von EAG fokussiert. Die Aufbereitung von EAG verfolgt zwei grundlegende Ziele:

EAG enthalten eine Reihe gefährlicher Stoffe und Gemische, die während der Aufbereitung abgetrennt und sicheren Entsorgungswegen zugeführt werden müssen (Schadstoffentfrachtung)

Weiterhin sind in EAG viele wertvolle Materialien enthalten, die es abzutrennen, zu separieren und einem adäquaten Recycling zuzuführen gilt.

Die Aufbereitung erfolgt i.d.R. nach einem der drei nachfolgenden Verfahren, wobei Kombinationen der Verfahren ebenfalls möglich sind:

1. Reine manuelle Erstzerlegung

2. Manuelle Zerlegung mit Tiefenaufbereitung

3. Maschinelle Aufbereitung

Eine wichtige Entscheidung in Entsorgungsbetrieben ist die Wahl der optimalen Zerlegetiefe, bzw. die Entscheidung für eine maschinellen Aufbereitung. Im Blatt 6 wird in diesem Zusammenhang u.a. dargestellt, welche Fraktionen mit Hilfe der zuvor genannten drei Verfahren typischerweise aus EAG gewonnen werden können und welche weiteren Entsorgungswege diese nehmen können.

Für jedes der drei Verfahren wird betrachtet, welche vermarktungsfähigen Fraktionen sich gewinnen lassen und welche zuzahlungspflichtigen Fraktionen anfallen. In Bezug auf die zuzahlungspflichtigen Fraktionen wird ggf. in schadstoffarme und schadstoffhaltige Fraktionen unterschieden.

Beispielsweise werden als vermarktungsfähige Fraktionen aus einer manuellen Zerlegung verschiedene Fe-haltige Metalle, Al-haltige Metalle, Cu-haltige Metalle etc. betrachtet. Die Fe-haltigen Metallen werden z.B. weiter unterschieden in Fe-Bleche, Fe-Guss etc. Bei der maschinellen Zerlegung werden ähnliche vermarktungsfähige Fraktionen zum Teil in anderen Ausprägungen gewonnen und im Blatt 6 aufgeführt (z.B. Fraktionen aus der Magnetabscheidung).

Zuzahlungspflichtige Fraktionen, die im Rahmen der manuellen Zerlegung anfallen und in der Richtlinie betrachtet werden, sind z. B. verschiedene Kunststoffe und kunststoffreiche Fraktionen, haushaltsähnliche Gewerbeabfälle, quecksilberhaltige Bauteile, farbgebende Einheiten von Druckern etc.

Für die typsicherweise bei den drei Verfahren (rein manuelle Erstzerlegung, manuelle Zerlegung mit Tiefenaufbereitung, maschinelle Aufbereitung) anfallenden vermarktungsfähigen und zuzahlungspflichtigen Fraktionen, wird im technischen Teil u.a. fokussiert, welche Entsorgungswege die einzelnen Fraktionen typischerweise gehen und welche typischen Abnehmer vorkommen. In diesem Zusammenhang wird u.a. besonders darauf eingegangen, welche wertmindernden Stoffe es ggf. in bestimmten Fraktionen zu vermeiden gilt (z.B. Glasfaserkabel in einer Fraktion mit Kupfer-Kabeln) bzw. welche Stoffe bei der Verwertung miteinander unverträglich sind. Im technischen Teil werden abschließend Hinweise zu weiteren Fraktionen gegeben, die den drei Verfahren nur bedingt zuzuordnen sind.

Dem technischen Teil schließt sich ein Kapitel zur Werkstoff- insbesondere Kunststoffsystematik an. In der Praxis werden Bezeichnungen wie „Kunststoffsorte“ oder „-art“ bisher uneinheitlich verwendet. Ziel dieses Kapiteles ist es daher, die bestehende Klassierung von Werkstoffen zu bezeichnen und so zukünftig eine einheitliche Verwendung der Begriffe zu befördern. Im Blatt 6 wird daher eine Werkstoffeinteilung in Stufen vorgenommen und die Stufen werden eindeutig bezeichnet. Der Fokus der Betrachtungen liegt auf den Kunststoffen, die für das Recycling von EAG relevant sind. Die nachfolgende Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus der Kunststoffsystematik des Blatt 6.

Nach der Kunststoffsystematik, stehen z.B. PP, PE und PS auf der Stufe der „Kunststoffart“ und werden als solche bezeichnet - u.a. PET steht auf der Stufe der „Kunststoffsorte“ und wird als solche bezeichnet.

Im Anhang des Blattes Vermarktung werden die im technischen Teil dargestellten Informationen zu den einzelnen Fraktionen noch einmal komprimiert zusammengefasst und um weitere praxisrelevante Punkte (z. B. Abfallschlüsselnummern, Basel-Codes, OECD-Codes) ergänzt. Im Ergebnis besteht der Anhang aus einer umfangreichen Fraktionstabelle, in der Informationen zu den nachfolgenden Punkten enthalten sind:

Fraktionsbezeichnung

Exemplarische Herkunft

Abfallschlüsselnummer

Abfallbezeichnung

Abfallbezeichnungen nach EU Verordnung 1013/2006

Basel-Code

OECD-Code

Notifizierungspflicht Ja/Nein

Wertmindernde Störstoffe (exemplarisch)

Erwarteter Erlös bzw. Zuzahlung

Typische Transporteinheiten

Typischer Abnehmer

Mit diesen Informationen bietet das Blatt Vermarktung den betroffenen Kreisen eine Orientierungshilfe in Bezug auf die Bildung von Fraktionen aus EAG sowie zu deren weiterer Vermarktung bzw. zu Entsorgungswegen.

Ausblick

Auch in Zukunft wird die Richtlinie VDI 2343, den Anforderungen des Gesetzgebers und der Praxis folgend, weiterentwickelt werden. Zur Zeit besteht noch die Möglichkeit die Richtlinie mitzugestalten. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an den Vorsitzenden des Richtlinienausschusses, Dr. Ralf Brüning.

www.dr-bruening.de

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