Potenzial

Aktuelle Markttrends im Glasrecycling

In Abhängigkeit vom erzielten Reinheitsgrad der Scherben aus dem Altglasrecycling lässt sich Glas beliebig oft einschmelzen und zu neuen Produkten verarbeiten. Wie in vielen anderen Recyclingbranchen ist Europa auch hier führend. Aber es gibt auch Defizite. Der nachfolgende Bericht liefert dazu aktuelle Daten und Trends.

1 Einführung

Angesichts der wachsenden Bevölkerung und steigender Einkommen wird eine Entkopplung des Wirtschaftswachstums und der Produktion vom Ressourcenverbrauch immer wichtiger (Bild 1). Glas ist ein solcher Wertstoff mit unbegrenztem Recyclingpotenzial, der nahezu ohne Qualitätseinbußen recycelt werden kann. Doch bezogen auf die weltweite Produktion und die großen Unterschiede in den Recyclingraten in den Regionen und bei den verschiedenen Glasanwendungen ist man von einer Entkopplung der Produktionsmengen und dem Ressourcenverbrauch eher noch weit entfernt. Nur bei Behälterglas werden bereits heute in manchen Ländern Recyclingraten von über 90 % erreicht. Im weltweiten Maßstab steht man hier aber erst bei einer Recyclingrate von weniger als 35 %.

Weltweit werden jährlich derzeit etwa 130 Millionen t (Mta) Glas produziert. Die größten Mengen mit 63 Mta bzw. 48 % entfallen auf Hohl- bzw. Behälterglas, 54 Mta bzw. 42 % entfallen auf die verschiedenen Flachglas-Produkte (Bau- und Fensterglas, Autoglas usw.), 5 % entfallen auf Tischwaren und 6 % auf alle übrigen Glasprodukte. Es gibt über 1350 Glashütten mit über 2500 Schmelzöfen. Die weltweiten Glas-Produktionskapazitäten liegen bei über 195 Mta, davon entfallen 44 % auf Flachglas und 46 % auf Behälterglas. Die weltweiten Recyclingmengen werden derzeit mit etwa 27 Mta abgeschätzt, dies macht nur einen Anteil von 21 % an der produzierten Glasmenge aus. Bei Behälterglas werden mit geschätzten 32 % die höchsten Recyclingmengen erreicht, bei Flachglas kommt man auf Recyclingraten von nur 11 %.

2 Regionale Entwicklungen

2.1 Europa

Die besten statistischen Daten zum Glasrecycling kann man in Europa erhalten. Bild 2 zeigt die Entwicklung der Glasproduktion in der EU in den letzten Jahren. Die Produktionszahlen waren 2009 aufgrund der Weltwirtschaftskrise und dem starken Markteinbruch im Bausektor stark zurückgegangen und bis zum Jahr 2013 auf einem Tiefpunkt. Seitdem wird wieder ein merkliches Wachstum festgestellt. Momentan befindet sich die Glasindustrie mit einer Produktionsmenge von 35,8 Mta etwa auf dem Niveau vor der Wirtschaftskrise mit 28 % der weltweiten Produktion. In Bild 3 ist die Aufteilung der Glasproduktionsmengen in der EU-28 auf die verschiedenen Sektoren für das Jahr 2017 dargestellt. Dabei entfallen 62,1 % auf Behälterglas und 29,2 % auf Flachglas. Alle übrigen Glassorten kommen zusammen auf 8,7 %. Von den 35,8 Mta werden 3,2 Mta exportiert und 4,0 Mta importiert.

Der Europäische Verband der Glasrecycler (European Federation of Glass Recyclers: FERVER) ist ein Interessenverband der privaten und unabhängigen Glasrecycling-Unternehmen. 2016 gehörten dem Verband 42 Firmen mit insgesamt 82 Glasaufbereitungsanlagen an. In dem Jahr wurden Umsätze in Höhe von 508 Mio. € durch diese Betriebe erzielt. Bild 4 zeigt die von den Unternehmen zuletzt verarbeiteten Glasrecycling-Mengen. Die Gesamtmengen aus Behälterglas und Flachglas stiegen von 6,4 Mta im Jahr 2014 auf 8,8 Mta in 2016. Der Anteil an Behälterglas verringerte sich dabei von 85,9 % auf 83,0 %, d.h. der Flachglasanteil erhöhte sich leicht um 2,9 %. Die Mengen an recyceltem Glas für die Glashütten (sog. Cullets) stieg von 5,4 Mta auf 7,3 Mta, allerdings nahm damit der Anteil der Cullets von 84,4 % auf 83 % ab. FERVER verarbeitet nach eigenen Angaben 70 % der Recyclingmengen in Europa, die damit bei etwa 10,4 Mta liegen.

Bei Behälterglas liegt die Glasrecyclingrate in der EU-28 stabil bei 74 %. Mehr als 11,6 Mta Glasflaschen wurden 2015 nach Daten der European Container Glass Federation (FEVE) recycelt [1], was letztlich zu höheren Zahlen als bei FERVER führt. Allerdings existiert immer noch ein großes Nord-Süd- und West-Ostgefälle (Bild 5). Länder wie Schweden, Belgien und Slowenien, die über leistungsfähige getrennte Sammelsysteme verfügen, schneiden am besten ab und erzielen Recyclingraten von über 95 %. Länder wie die Türkei, Griechenland, Zypern und Malta schneiden am schlechtesten ab. Hier liegen die Recyclingraten für Behälterglas teilweise bei weit unter 50 %. Dies hat insbesondere mit der sogenannten Sammellücke in diesen Ländern, staatlichen Anreizen und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu tun.

2.2 Rest der Welt

Verglichen mit dem Rest der Welt (RoW) liegen die Recyclingraten in Europa insbesondere bei Behälterglas sehr hoch. Das US Glass Packaging Institute (GPI) geht momentan von einer Menge von insgesamt 3,35 Mta an Recyclingglas für die Behälter- und Flachglasindustrie in den USA aus. Die Hauptmenge ist Behälterglas (Bild 6). Der Anteil an Recyclingglas bei der Behälterglasherstellung wurde von etwa 25 % im Jahr 2008 auf 33,6 % in 2013 gesteigert. Derzeit geht man von einem Anteil von etwa 35 % aus. Ursprünglich war das Ziel, bereits 2013 eine Recyclingrate von 50 % zu erreichen. Laut GPI ist die Zahl der Recyclinganlagen in den USA auf 80 gewachsen. Durchschnittlich verbraucht ein Amerikaner etwa 820 Getränkeverpackungen pro Jahr – dies betrifft Glas, Aluminium, Kunststoff- und Papierverpackungen. Die Recyclingrate insgesamt liegt bei 37 %.

Über andere Länder gibt es nur wenige verlässliche Zahlen. Für China geht man davon aus, dass die Glasrecyclingrate für Behälterglas derzeit noch unter 20 % liegt. Von verschiedenen Stellen wird berichtet, dass Altglas in China noch einen relativ geringen finanziellen Wert hat und die zahlreichen Glashütten natürliche Rohmaterialien bevorzugen. Dies mag auch damit zu tun haben, dass die meisten Recyclinglinien noch nicht über moderne Sortiertechniken verfügen und das Recyclingglas nicht die Qualitätsanforderungen erfüllt. Inzwischen hat aber eine Trendumkehr stattgefunden. Ein gutes Beispiel dazu ist auch Südafrika, wo inzwischen über 41 % Glas recycelt wird und mehr als 4000 Glascontainer zur Glassammlung aufgestellt sind.

3 Länderentwicklungen in Europa

3.1 Schweden

Schweden gilt als Musterland beim Glasrecycling. In den letzten Jahren lagen die Recyclingraten immer über 95 %. Spezifisch wurden in 2017 pro Einwohner 21,5 kg Glass recycelt. Schweden verfügt über ein sehr dichtes Netz von 5000 Sammelstationen. Glas wird nach Weissglas und Farbglas getrennt gesammelt (Bild 7). Das System ist relativ einfach und basiert auf einer Finanzierung durch Abgaben der Hersteller von 0,02 bis 0,3 SEK/Flasche für alle Glasflaschen für Kosmetika, Pharmaprodukte, Lebensmittel und Getränke. Das System basiert auf einem Gesetz von 1994. Zusätzlich werden Einnahmen durch den Verkauf der Scherben an die Glashersteller erzielt. Die Glassammlung findet eine große Akzeptanz in der Bevölkerung. Für eine hohe Sauberkeit der Stationen und regelmäßige und zumeist sensorgesteuerte Entleerungen wird gesorgt.

Für die Glaseinsammlung und das -recycling ist die Swedish Glass Recycling (Svensk Glasåtervinning) zuständig, die wiederum im schwedischen Verpackungsverband (FTI) organisiert sind. Der FTI ist eine Non-Profit-Organisation, so dass die Gewinne (37 Mio. SEK in 2017) wieder in das Recyclingsystem investiert werden. Derzeit verfügt Schweden nur über eine Glasaufbereitungsanlage (Bild 8) in Hammar, westlich von Stockholm für eine Kapazität von etwa 0,25 Mta. Etwa 2/3 des Altglases wird für die Herstellung von neuen Glasflaschen aufbereitet. 1/3 geht in die Produktion von Glaswolle und Schaumglas. Abnehmer sind die lokalen Glashütten wie beispielsweise Ardagh in Limmared. Hammar liegt zwar zentral in Schweden, aber es gibt Stimmen, die sich eine breitere Abdeckung mit Aufbereitungsanlagen wünschen.

3.2 Deutschland

In Deutschland wurden 2015 allein aus privaten Haushalten etwa 1,88 Mta Behälterglas gesammelt. Das entspricht einem einwohnerspezifischen Wert von 23 kg. Der Wert ist damit seit 2006 (24 kg) weitgehend stabil, wobei sich das spezifische Gewicht insbesondere von Getränkeflaschen aber deutlich verringert hat. Ein flächendeckendes Sammelsystem für Behälterglas wurde bereits 1974 eingeführt. Derzeit steht eine Infrastruktur mit rund 300 000 Altglascontainern zur Verfügung.

Bild 9 zeigt die Entwicklung des Glas-Verpackungsaufkommens in Deutschland und die entsprechende Recyclingrate. Man erkennt, dass das Verpackungsaufkommen von 2004 bis 2015 leicht von 3,07 Mta auf 2,69 Mta abgenommen hat, während die Glas-Recyclingrate in dem Zeitraum von 81,5 % auf 85,2 % gestiegen ist, mit einem Spitzenwert im Recycling von 88,4 % im Jahr 2011.

Die Verwertungsmengen an Glasverpackungen in Deutschland sind in Bild 10 dargestellt. Die Hauptmenge zur Verwertung von Altglas stammt aus den dualen Systemen. Von 2012 bis 2016 wurden dort 1,91 Mta bzw. 1,88 Mta Altglas einer Verwertung zugeführt, das entspricht etwa 81 % bzw. 78 % der Verwertungsmengen. Etwa 10 % stammen aus den sonstigen Rückführungswegen von Altglas (Branchenlösungen, Eigenrücknahme bis 2014 und bepfandete Einweg-Getränkeflaschen). Dies machte 2016 etwa 0,23 Mta Glasverpackungen aus. Weitere 10 bis 12 % stammen aus dem Gewerbeglasaufkommen. Die im Gewerbe anfallende Altglasmenge setzt sich im Wesentlichen aus Mehrwegflaschen zusammen, die von den Abfüllbetrieben infolge von Mängeln aussortiert wurden. Im Jahr 2014 verfügte Deutschland über 20 Altglas-Aufbereitungsanlagen.

3.3 Italien

Italien erzielt von den Ländern Südeuropas die höchsten Glasrecyclingraten. Die erfassten Mengen an Glasverpackungen und Recyclingraten seit 2006 sind in Bild 11 dargestellt. In Italien haben sowohl die Altglasmengen von 2,13 Mta auf 2,34 Mta als auch die Recyclingmengen von 58,9 % auf beachtliche 70,9 % (78 % lt. FEVE) zugenommen [2]. Dabei gibt es von Nord nach Süd aber sehr große Unterschiede (Bild 12). Während im Norden in Südtirol z.B. 45,1 kg/Person recycelt werden, beträgt diese Menge im Süden in Sizilien nur 6,9 kg/Person oder in Kalabrien 13,1 kg/Person. CoReVe, die für die separate Sammlung von Behälterglas in Italien zuständig sind, haben 2017 für Süditalien eine Initiative ergriffen, mit dem Ziel, die Recyclingmengen dort um 10 % in einem Jahr zu erhöhen. Dazu werden Know-how und finanzielle Anreize bereitgestellt.

4 Glasherstellung und Recycling

Das Glasrecycling unterliegt wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Energieverbrauch bei der Glasherstellung um etwa 3 % sinkt, wenn 10 % der natürlichen Rohstoffe durch Recyclingglas ersetzt werden (Bild 13). Entsprechend kann man bei einem Einsatz von 65 % Glasscherben fast eine Einsparung von 20 % im Energieverbrauch erreichen. Mit einem geringeren Energieverbrauch sinken auch die Kohlendioxid- (CO2-) Emissionen. Wichtigste Größe bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist der Preis für das Recyclingglas. Übersteigt dieser Preis die Einsparungen bei den natürlichen Rohstoffen und dem Energieverbrauch, so sinken die Chancen für das Recycling.

Schmelzwannen in Glashütten können je nach Farbtrennung unterschiedliche Anteile von recycelten Glasscherben verwenden. Der Recyclinganteil bei der Produktion von Grünglas liegt bei 90 %, teilweise werden auch Werte von 95 % erreicht. Bei Braunglas kommt man auf 70 %, Weißglas lässt in der Regel nur einen Anteil von 60 % zu. Der Einsatz von Recyclingglas unterliegt hohen Qualitätsanforderungen. So sollte laut einer Leitlinie von BV Glas [3] für Behälterglas der KSP-Anteil (Keramik, Steine, Porzellan) 20 g/t nicht überschreiten. Auch für Metalle, Glaskeramik und organische Verunreinigungen existieren Grenzwerte. Die Fehlfarbenanteile sind ebenfalls begrenzt. Weißglas sollte nicht mehr als 0,2 % Grünglas, 0,3 % Braunglas und 0,2 % anderes Buntglas enthalten. Grünglas sollte zu mindestens 70 % aus Grünglas und höchstens 10 % Braunglas bestehen, Braunglas sollte zu mindestens 80 % aus Braunglas bestehen.

4.1 Behälterglas

In der EU wird Behälterglas in 162 Glashütten hergestellt. Der europäische Verband hat 60 Mitglieder, die zu etwa 20 verschiedenen Unternehmensgruppen gehören. Zu den führenden Herstellern von Glasverpackungen in Europa zählen Vetropack, Verallia und Owens-Illinois. Vetropack hat schon vor über 40 Jahren das Einsammeln und Wiederverwenden von Altglas vorangetrieben. Das Unternehmen besitzt Standorte in der Schweiz, in Österreich (Bild 14) sowie in 5 weiteren EU-Ländern und stellt mehr als 2500 verschiedene Glasverpackungen her. Bei Vetropack ist Altglas zum wichtigsten Rohstoff in der Glasherstellung geworden. 2017 wurden durchschnittlich 53 % Altglas für die Behälterglas-Produktion verwendet, 67 % bei Grünglas, 48 % bei Braunglas und 43 % bei Weißglas. In einigen Glashütten werden Altglasanteile von 83 % erreicht.

Die Verallia Gruppe ist bei Behälterglas die Nr. 1 in Europa und weltweit ist man die Nr. 3. Das Unternehmen ist in 11 Ländern mit Produktionsbetrieben und insgesamt 32 Glashütten und 57 Schmelzöfen vertreten. 2017 wurden etwa 16 Mrd. Flaschen und Gläser hergestellt, der Umsatz der Unternehmensgruppe lag bei 2,5 Mrd. €. Das Unternehmen besitzt eigene Altglas-Aufbereitungsanlagen (Bild 15), kauft aber ebenfalls aufbereitete Scherben zu. Im Bereich des Qualitätsmanagements nimmt die Rohstoffqualität und insbesondere die Qualität des Recyclingglases (Bild 16) einen hohen Stellenwert ein. Bei der Aufbereitung von Recyclingglas wird durch verbesserte Technologien ein höherer Einsatz möglich. Von 2015 auf 2017 hat das Unternehmen seine Recyclingmengen von 2,65 Mta um 4 % auf 2,76 Mta gesteigert, während die Primärrohstoffe von 4,02 Mta um 10,7 % auf 3,59 Mta reduziert wurden.

Owens-Illinois (O-I) ist die Nr. 2 bei Glasverpackungen in Europa mit 34 Glashütten in 10 Ländern der EU und die weltweite Nr. 1 mit insgesamt 78 Anlagen in 23 Ländern. Das Unternehmen hat gemäß Zahlen aus dem Nachhaltigkeitsbericht 2014 insgesamt 4,7 Mta Glasscherben zugekauft und damit eine Recyclingrate von 38 % in seinen globalen Unternehmen erzielt. In Europa betrug der Recyclinganteil 49 %, in Asien-Pazifik 36 %, in Lateinamerika 28 % in Nordamerika nur 26 %. O-I arbeitet an der Erhöhung dieser Mengen insbesondere in den Stammmärkten in Nord- und Lateinamerika.

4.2 Flachglas

Zu den weltweit führenden Unternehmen bei Flachglas zählen Asahi Glass (AGC), Saint Gobain, Nippon Sheet Glass (NSG) und Guardian. Diese Unternehmen kommen auf einen globalen Marktanteil von fast 60 %. In der EU kann Flachglas in 12 Ländern an 60 Standorten produziert werden. Die meisten Anlagen befinden sich in Deutschland, Frankreich und Polen. Derzeit sind einige Anlagen aber eingemottet bzw. außer Betrieb. Die Anforderungen an das Altglas aus dem Glasrecycling sind unweit höher als bei Behälterglas. So wird z.B. von den meisten Herstellern nur ein KSP-Anteil von 5 g/t Scherben geduldet (Bild 17). Deshalb findet Altglas aus dem Abbruch von Gebäuden bisher für die Flachglasherstellung keine Verwendung. Dabei hilft es auch nicht, wenn seitens der EU durch neue Verordnungen (Waste Framework Directive 2008/98/EC) der Anteil zur Verwertung von Abbruchmaterial auf 70 % erhöht wird. Glas macht weniger als 1 % an solchen Abbruchmaterialien aus [4].  

Um dennoch eine Vorstellung von den Recyclingraten der Flachglashersteller zu erhalten, helfen Zahlen von Saint-Gobain aus dem Jahr 2017. Saint-Gobain ist die Nr. 1 in Europa und nimmt auch eine führende Rolle beim Glasrecycling ein, betreibt aber neben der Flachglasproduktion auch die Produktion von Glaswolle. 2017 hat das Unternehmen 6,96 Mta Primärrohstoffe zur Glasherstellung verbraucht. Der Anteil an Recyclingglas aus eigenen Glasscherben (gebrochenes Glas und Verschnitt) betrug 1,88 Mta, der Anteil von externen Scherben betrug 1,36 Mta. Gegenüber 2015 hat insbesondere der Anteil an externen Zukäufen deutlich um 20 % zugenommen. Damit kommt Saint-Gobain bei der Flachglas-Herstellung auf einen Recyclinganteil von etwa 30 % und bei der Glaswolle-Herstellung auf einen Recyclinganteil von etwa 41 %.

5 Technologien

Das industrielle Glasrecycling startete Ende der 1960er Jahre. Heute spricht man beim Glasrecycling von der 4. Generation der Aufbereitungsanlagen. Anfänglich wurden rein mechanische Verfahren eingesetzt, wie Zerkleinern und Sieben. Dann kamen Prozesse der Metallabscheidung hinzu. Störstoffe, wie Keramik, Steine, Kunststoffe und organische Stoffe wurden noch manuell aussortiert. Optische Verfahren zur Glassortierung kamen Ende der 1980er Jahre auf den Markt. Heute können mit optischen Verfahren praktisch alle Störstoffe wie hitzebeständige Glaskeramik oder bleioxydhaltige Gläser aussortiert werden. Moderne Anlagen werden heute mit einer Glas-trocknung ausgerüstet, um die Sortiermöglichkeiten voll auszuschöpfen. So konnte z.B. der KSP-Anteil beim Glasrecycling von anfänglich 500 ppm auf unter 25 ppm gesenkt werden.

Mit zusätzlichen Sortierstufen werden folgende Ziele bei der Altgassortierung verfolgt:

Verbesserung der Scherbenqualität (Reduktion von Fehlfarben, KSP-Anteil)

Erhöhung der Ausbeute der Rohscherben

Erhöhung der Scherbeneinsatzquote

Zur technischen Umsetzung sind folgende Prozesse – mit zusätzlichen Sortiersystemen – notwendig:

Separierung anhaftender Etiketten von den Glasscherben

Trocknung der Scherben vor der automatischen Sortierung

Sortierung in den unteren Kornbereichen (< 5 mm)

Für das Recycling von Verbundglas (laminierte Gläser, Windschutzscheiben) oder von Solarglas werden spezielle Techniken in den Aufbereitungsanlagen eingesetzt. So ging 2018 eine erste Recyclinganlage für Solarpanel in Frankreich bei dem Unternehmen PV Cycle France in Betrieb. 2018 werden dort 1300 t Solarglas aufbereitet, was in etwa der gesamten End-of-Life-Menge für Solarpanels in Frankreich entspricht. Bis zum Jahr 2022 soll die Kapazität auf 4000 erhöht werden.

Technologien für das Glasrecycling werden von einer ganzen Reihe von Unternehmen angeboten. Zu den führenden Anbietern zählen Zippe Industrieanlagen in Wertheim, die auch zu den führenden Herstellern von Gemengeanlagen für die Glasindustrie mit über 600 ausgeführten Anlagen gehören, sowie die beiden österreichischen Firmen Binder+Co und BT-Wolfgang Binder (Redwave), beide in Gleisdorf. Binder+Co lieferte beispielsweise die erste vollautomatische Altglasaufbereitungsanlage für den Großraum Peking (Bild 18) mit einer Anlagenleistung von 36 t/h. Die Vorkonditionierung des Scherbengutes erfolgt mit Walzenglasbrecher, Spezialsiebmaschine, Etikettenentferner und Wirbelstromabscheider für die Metallfraktion. Vier Einheiten der sensorbasierten Sortiermaschine CLARITY sorgen als Drei-Wege-System für eine hochpräzise Trennung des vorsortierten Materials nach Farben und Störstoffen.

Redwave benutzt für seine Sortiertechnik (Bild 19) verschiedene marktführende Techniken. Für Keramik, Steine und Porzellan (KSP) werden Kameras mit Durchlicht verwendet. Röntgenfluoreszenz-Techniken (XRF) werden für Bleiglas, Glaskeramik und bei der Aufbereitung von Bildröhrenglas eingesetzt. Nahinfrarot-Spektroskopie (NIR) kommt für die Abscheidung von Kunststoffen, Acrylglas und Verbundglas zum Einsatz. Für die eigentliche Farbsortierung und Farbnachsortierung in Weiß-, Grün- und Braunglas werden ebenfalls Kamerasysteme mit Durchlichttechnik verwendet.

6 Marktausblick

Der Markt für das Glasrecycling boomt, die Glassammlung (Bild 20) ist im Trend. Dazu tragen u.a. verbesserte Konzepte bei den Glassammelcontainern bei. Von verschiedenen Marktforschungsinstituten werden hohe 7 – 8 % Wachstumsraten bis zum Jahr 2025 gesehen. Noch wird der Markt durch Europa dominiert mit fast 50 % des Marktes. Allerdings werden hier in den wichtigsten Ländern wie Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und England keine hohen Zuwachsraten erwartet. Ein größeres Marktwachstum ist insbesondere nur in Nordamerika und in den Schwellenländern in Asien, Südamerika und Afrika zu erkennen.

Literatur • Literature

[1] FEVE: EU Glass Packaging Closed Loop Recycling Steady at 74 %. Press Release 10. April 2018, Brussels/Belgium

[2] Testa, M. et al: Long-term Sustainability from the Perspective of Cullet Recycling in the Container Glass Industry. Sustainability 2017, 9 1752; doi:103390 / su9101752

[3] BV Glas: Leitlinie “Qualitätsanforderungen an Glasscherben zum Einsatz in der Behälterglasindustrie“. Standardblatt T120, Version 14. August 2014, Düsseldorf/Deutschland

[4] Hestin, M. et al: Economic Study on Building Flat Glass Recycling in Europe. April 2016. Deloitte Sustainability, Glass for Europe, Brussels/Belgium


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