SENNEBOGEN liefert Umschlagbagger aus „grünem Stahl“
Die Salzgitter AG befindet sich mitten in einer der größten industriellen Transformationen Europas: dem Wandel von einer konventionellen, kohlebasierten Stahlproduktion hin zu nahezu CO2-freiem Stahl. Gleichzeitig setzt das Recyclingunternehmen der Gruppe seit Jahrzehnten auf SENNEBOGEN-Umschlagmaschinen – Maschinen, die selbst einen entscheidenden Beitrag zum Kreislauf der Schrottversorgung leisten.
Der Farbe grün kommt gegenwärtig eine enorme Bedeutung zu, grün steht für zukunftszugewandt, ressourcenschonend, nachhaltig, effizient, fortschritt-lich …
Neben grünem Strom, grünem Zement ist auch grüner Stahl häufig in den positiven Schlagzeilen. Das Team der recovery hatte die Gelegenheit, sich bei der Salzgitter AG und ihrer Tochtergesellschaft, der Deutsche Erz- und Metall-Union GmbH (DEUMU), mit diesem Thema näher zu beschäftigen. Und was grüner Stahl mit der SENNEBOGEN-Umschlagmaschine 830 G, dem 40 t Recyclingbagger der neuen Maschinengeneration, zu tun hat – dem wird dieser Beitrag auch auf den Grund gehen.
Schon vor 150 Jahren begann man mit der Produktion von Roheisen im nördlichen Harzvorland. Die Ilseder Hütte wurde 1858 gegründet, um regionale Eisenerze zu verhütten. Das Unternehmen entwickelte sich erfolgreich. Mit der Übernahme des Peiner Walzwerks und dem frühen Einsatz des Thomas-Verfahrens wurde das Unternehmen zu einem bedeutenden Montankonzern. Ab den 1950ern erforderten steigende Kosten und internationaler Wettbewerbsdruck schließlich 1970 den Zusammenschluss mit der Salzgitter AG zur Stahlwerke Peine-Salzgitter AG. Die weltweite Stahlkrise führte zu starken Umstrukturierungen, dem Bedeutungsverlust des Standorts Ilsede und der Einstellung des eigenen Erzbergbaus.
1989 wurde der Konzern privatisiert und später in Preussag Stahl AG umbenannt. 1998 entstand durch den Börsengang die neue Salzgitter AG, die seitdem als moderner Stahl- und Technologiekonzern wächst – u. a. durch die Übernahme der Mannesmannröhren-Werke (2000) und der Klöckner-Werke (2007).
Zukünftig wird es vor allem auf eine drastische Reduzierung des CO2-Ausstoßes vor allem bei den energieintensiven Industrien ankommen, um weiterhin bestehen zu können. Die Salzgitter AG und ihre Tochtergesellschaft DEUMU (Deutsche Erz- und Metall-Union GmbH) engagieren sich seit Jahren für eine CO₂-reduzierte Stahlerzeugung.
Die DEUMU wurde im Juli 1941 in Berlin gegründet. Als Unternehmenszweck war die Versorgung der Stahlwerke in Salzgitter sowie weiterer dem Montanblock angehörender Stahlwerke mit Erzen, Ferrolegierungen, NE-Metallen und sonstigen Hüttenrohstoffen vorgesehen. Heute ist die DEUMU Schrott- und Metalllieferant für den Salzgitter-Konzern, erbringt für Unternehmen der Salzgitter-Gruppe und Dritte Logistik- und Einkaufsdienstleistungen und betreibt mit der Stahlbearbeitung einen qualifizierten Brennbetrieb für Grobbleche inkl. komplexer Anarbeitungsleistungen. Um den CO2-Austoß zu senken, setzt Salzgitter auf das Transformationsprogramm SALCOS® (Salzgitter Low CO₂ Steelmaking). Ziel ist es, Stahl „grüner“ zu produzieren und die Kunden auf dem Weg zu einer CO2-armen Wertschöpfungskette zu unterstützen. Durch schrittweise Umstellung der Produktion auf CO2-arme Verfahren plant die Salzgitter AG, die Emissionen für die Stahlerzeugung um bis zu 95 % reduzieren.
Das recovery Team hatte die Gelegenheit zu einer kompakten Besichtigung des Standortes, bei dem auch der Weg zum Wandel zu einer klimaneutralen Stahlherstellung deutlich zu sehen war. Danach sollte auch das Rätsel um die grüne SENNEBOGENumschlagmaschine 830 G gelüftet werden. Diese entlud gerade ein mit Schrott zur weiter Verarbeitung beladenes Binnenschiff. Das Material war für die Deutsche Erz- und Metall-Union GmbH bestimmt.
Aber nicht nur der äußere Anstrich des 40 t SENNEBOGEN Recyclingbaggers der neuen Maschinengeneration ist grün. Sondern auch der Stahl, aus dem die Umschlagmaschine gefertigt wurde, besteht aus CO₂-reduziertem, „grünen“ Stahl. Auf der bauma 2025 wurde sie erstmals vorgestellt. Nicht nur aufgrund von Effizienz und Langlebigkeit kann kann beim Betreiben der Maschine CO2 eingespart werden, sondern auch schon bei der Produktion. Die Salzgitter AG produziert CO2-reduzierten Stahl der Marke SALCOS® – durch den Einsatz von 100 % recyceltem Schrott und grünem Strom aus erneuerbaren Quellen. Aus diesem Stahl fertigte die DEUMU, die eine langjährige Partnerschaft mit SENNEBOGEN verbindet, Stahlbauteile für den neuen Umschlagbagger SENNE-BOGEN 830 G. Im Vergleich zur konventionellen Stahlproduktion ermöglicht dieser CO2-reduzierte Stahl eine CO2-Einsparung von mehr als 70 %.
Jetzt wird der Umschlagbagger selbst für den Stahlschrott-Umschlag eingesetzt, damit schließt sich der Kreislauf wieder. Als Produktentwicklung der neuesten SENNEBOGEN-Maschinengeneration arbeitet der neue Umschlagbagger 830 G zudem rund 20 % effizienter und spart im Vergleich zum Vorgängermodell noch einmal 18,5 t CO2 pro Jahr im Betrieb ein.
Wie es zu diesem gemeinsamen Projekt gekommen ist und welche Erfahrungen mit dem grünen 830 G gesammelt werden konnte, erläuterte Marko Klickermann, DEUMU-Betriebsleiter in einem Gespräch mit der Chefredakteurin der Zeitschrift recovery, Dr. Petra Strunk.
recovery: Grüner Stahl ist inzwischen in aller Munde, doch viele verstehen die Komplexität dahinter nicht. Warum spielt dieses Thema für die Salzgitter AG eine so zentrale Rolle?
Marko Klickermann: Weil es kein Trend ist, sondern eine Notwendigkeit. Die europäische Industrie – und insbesondere die Stahlindustrie – geht durch einen fundamentalen Wandel. Stahlherstellung zählt zu den emissionsintensivsten Industriezweigen, und die politischen Klimaziele definieren klar, dass wir unsere CO₂-Emissionen drastisch reduzieren müssen.
Traditionell basiert die Stahlproduktion auf Kohle: Sie dient als Reduktionsmittel, um den Sauerstoff aus dem Eisenerz zu lösen und damit Roheisen herzustellen. Dabei entstehen zwangsläufig große Mengen CO₂. Unser Ziel ist es, diesen Schritt vollständig neu zu denken.
Die Transformation hin zu wasserstoffbasierter Direktreduktion ist daher nicht nur eine ökologische Frage, sondern auch eine wirtschaftliche und strategische: Wir wollen langfristig CO₂-neutral Stahl erzeugen – und zwar im industriellen Maßstab.
recovery: Wie sieht dieser Transformationsprozess konkret aus?
Marko Klickermann: Wir ersetzen die klassische Hochofen-Konverter-Route schrittweise durch eine neue Technologie aus:
1. Direktreduktionsanlage (DRI)
– Hier wird Eisenerz künftig nicht mehr mit Kokskohle, sondern mit grünem Wasserstoff reduziert.
2. Elektrolichtbogenofen (EAF)
– Sie ersetzen den Hochofen-Konverterprozess. EAFs benötigen elektrische Energie und das Direktreduzierte Eisen (DRI) samt Schrott oder in der Stahlschrottroute bis zu 100 % Stahlschrott zum Einsatz.
Schrott spielt dabei eine Schlüsselrolle. Er gilt bilanziell als CO₂-neutral, weil sein CO₂-Fußabdruck bereits im ersten Produktlebenszyklus angerechnet wurde. Jede Tonne Schrott, die wir nutzen können, verbessert unmittelbar die CO₂-Bilanz des Endprodukts.
Gleichzeitig müssen wir unterschiedliche Produktqualitäten bedienen: Feinblech hat ganz andere Anforderungen an Reinheit und Legierung als etwa ein Baustahlträger. Deshalb benötigen wir für hochwertige Stahlgüten eine Mischung aus Schrott und hochwertigem DRI.
recovery: Trotz allem hört man immer wieder, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch unsicher sind. Woran liegt das?
Marko Klickermann: Das größte Problem ist die politisch-ökonomische Unsicherheit. Moderne Technologien sind vorhanden, wir bauen derzeit im laufenden Betrieb ein neues Stahlwerk ins bestehende Werk hinein – was eine enorme Herausforderung ist.
Doch am Ende braucht es einen Markt, der grünen Stahl akzeptiert und bezahlt. Dazu müssen Unternehmen klare Vorteile haben, wenn sie CO₂-armen Stahl einsetzen. Diese Vorteile hängen wiederum von Zertifikatsmodellen, CO₂-Anrechnungssystemen und einer verlässlichen Regulierung ab.
Das aktuell zum Beispiel Grenzwerte diskutiert werden, hilft nicht. Hier braucht es Klarheit und verlässliche Rahmenbedingungen, sodass Investitionsbereitschaft nicht ausgebremst wird.
recovery: Die Idee eines Umschlagbaggers aus grünem Stahl wirkt innovativ und symbolstark. Wie ist diese Idee entstanden?
Marko Klickermann: Die Zusammenarbeit zwischen uns und SENNEBOGEN besteht seit rund 20 Jahren. Wir kaufen Umschlagmaschinen, SENNEBOGEN wiederum bezieht von uns zugeschnittene Bleche für den Maschinenbau.
Die Idee selbst entstand in einem Gespräch fast beiläufig, als wir über die bauma sprachen. Jemand sagte: „Ein grüner Bagger aus grünem Stahl – das wäre doch ein starkes Signal.“ Und je länger wir darüber sprachen, desto klarer wurde uns: „Das ist gelebte Kreislaufwirtschaft.“
Dabei wird der Schrott bei uns aufbereitet und geht in die Stahlproduktion. Daraus entsteht grauer oder grüner Stahl. Aus ihm werden Bleche und Brennzuschnitte gefertigt, aus denen SENNEBOGEN z. B. wieder Maschinen baut. Diese Maschinen arbeiten bei uns – beim Umschlag von Schrott. Und dieser Schrott gelangt wieder zurück in den Kreislauf. Der Kreislauf schließt sich – eine Maschine aus Stahl, der quasi schon in anderer Form bei uns im Werk war.
recovery: War der grüne Bagger ein Experiment oder ein strategischer Schritt?
Marko Klickermann: Ein strategisch-symbolischer Schritt. Wir wollten zeigen, dass Kreislaufwirtschaft praktisch funktioniert – nicht nur als Konzept.
Für uns war es wichtig, die technische Machbarkeit zu demonstrieren, eine echte Produktinnovation zu schaffen und einen sichtbaren Beweis zu liefern, dass grüner Stahl ein real nutzbares Industrieprodukt ist.
SENNEBOGEN eignet sich als Partner dafür, weil Vertrauen und beidseitige Lieferbeziehungen bestehen. Das Projekt konnte dadurch schnell, offen und ohne lange Abstimmungswege umgesetzt werden.
recovery: Warum haben Sie sich gerade jetzt für eine neue Maschine entschieden – und wieder für eine SENNEBOGEN-Maschine?
Marko Klickermann: Die Entscheidung basiert auf drei Faktoren:
1. Langjährige, zuverlässige Zusammenarbeit seit 2003
Wir haben gemeinsam viele anspruchsvolle Projekte umgesetzt – in einer Branche, die hohe Belastungen und absolute Zuverlässigkeit fordert.
2. Extrem harte Einsatzbedingungen
Unsere Umschlagmaschinen laufen im Dreischichtbetrieb, 365 Tage im Jahr.
Nach 8000 – 9000 Betriebsstunden tauschen wir Geräte routinemäßig aus, um Ausfallzeiten zu vermeiden.
3. Passende Maschinenklasse.
Der SENNEBOGEN 830 ist unsere „Brot-und-Butter-Maschine“. Er muss vielseitig einsetzbar sein. Wir benötigen die für die Waggonbefüllung, die Lkw-Beladung, Sortieren sowie das Beschicken von Anlagen.
Größere Maschinen wären zu sperrig gewesen, kleinere haben nicht genug Reichweite. SENNEBOGEN liefert hier seit Jahren konstant hohe Qualität, wobei sich die Maschinen auch stetig weiterentwickeln.
recovery: Wie hat sich die Technik von Umschlagma-schinen in den letzten zwei Jahrzehnten verändert?
Marko Klickermann: Sehr stark. Wenn man die Maschinen von 2003 mit den heutigen vergleicht, sprechen wir nicht von evolutionären, sondern von revolutionären Schritten. Allein, wenn man sich die drei wesentlichen Kategorien anschaut:
Komfort & Ergonomie:
klimatisierte Vollfeder-Sitze
schallisolierte Kabinen
große Touchdisplays
individuell programmierbare Maschinenfunktionen und Fahrerprofile
intelligente Assistenzsysteme
Effizienz & Umwelt:
moderne Abgasnormen
drastisch gesunkener Dieselverbrauch
intelligente Steuerungssysteme für Ausleger, Motor und Hydraulik
Digitale Assistenz:
360°-Rundumkameras
Schwenkbegrenzung
Kollisionswarnung
Umfeldüberwachung
Zustandsüberwachung (Condition Monitoring)
Predictive Maintenance
Das ist ein Quantensprung in puncto Sicherheit und Effizienz.
recovery: Hat sich das auf die Unfallzahlen oder Bedienfehler ausgewirkt?
Marko Klickermann: Ja, ganz eindeutig. Früher sah man relativ häufig beschädigte Verkleidungen, verbogene Türen oder angefahrene Hindernisse. Heute passiert das kaum noch.
Die Sichtsysteme, die Kameras, die Assistenzfunktionen unterstützen die Fahrer so gut, dass typische Risiken massiv reduziert wurden. Gleichzeitig verbessert die Ergonomie die Konzentrationsfähigkeit – viele Fahrer sagen selbst, dass die Maschinen angenehmer und intuitiver zu bedienen sind.
recovery: Wie wichtig ist der Service von SENNEBOGEN und deren Partnern für Ihren Betrieb?
Marko Klickermann: Er ist essenziell, die Funktionsgarantie im Dreischichtbetrieb steht und fällt damit. Darunter fallen eine schnelle Ersatzteilversorgung, ein reaktionsstarkes Serviceteam und natürlich eine partnerschaftliche Kommunikation. SENNEBOGEN bietet unkomplizierte, schnelle Lösungen bei Maschinenstillstand.
Für uns zählt nicht nur das Produkt, sondern das Gesamtpaket. Wenn eine Maschine steht, brauchen wir binnen Stunden eine Lösung – nicht erst nach einem längeren, administrativen Prozess. Das funktioniert mit SENNEBOGEN und dem Servicepartner Schlüter seit Jahren hervorragend.
recovery: Wenn Sie in die Zukunft blicken: Was brauchen Sie, damit grüner Stahl und moderne Umschlagtechnik ihr volles Potenzial entfalten?
Marko Klickermann: Auf technischer Seite sind wir sehr gut aufgestellt. Die Maschinen werden intelligenter, energieeffizienter, sicherer. Die Stahlproduktion befindet sich mitten in der größten Transformation ihrer Geschichte. Was wir jedoch dringend brauchen, ist politische Klarheit und Verlässlichkeit. Dazu gehören faire Rahmenbedingungen für CO₂-arme Produkte, klare Anrechnungsmechanismen, Planungssicherheit für Investitionen und natürlich eine gesellschaftliche Akzeptanz für grüne Mehrkosten.
Nur wenn das zusammenspielt, können wir den Weg konsequent weitergehen – und genau deshalb sind Projekte wie der grüne Sennebogen-Bagger so wichtig: Sie zeigen, dass Wandel möglich ist, und zwar im realen industriellen Maßstab.
recovery: Herzlichen Dank für das offene und informative Gespräch.
SENNEBOGEN-Umschlagmaschine 830 G
40 t Recyclingbagger der neuen Maschinengeneration, der G-Serie (Nachfolger des 830 E)
Effizient und langlebig:
- Hohe Leistung bei niedrigen Betriebskosten
- hohe Traglasten (hebt z. B. 4,3 t bei 15 m Radius), dadurch hohe Umschlagleistung
- umweltschonender Dieselmotor der Abgasstufe V
- hohe Wirkungsgrade, da optimierte Hydraulik
- Hervorragendes Ansprechverhalten bei den Arbeitsvorgängen -> material- und ressourcenschonendes Arbeiten
- langlebiges Design (robuster Stahlbau, langlebige Komponenten)
Brandneues Steuerungssystem:
- Personalisierbare Fahrerprofile (Maschinenfunktionen individuell auf Fahrer oder Aufgabe abstimmbar)
- Assistenzsysteme und Vorbereitung auf (Teil-)Automation
- Kommunikationsfähigkeit der Maschine:
∙ Maschinenüberwachung und Diagnosetool (Big Data -> Performance- und Serviceoptimierung)
∙ Remote-Service: Software-Updates over the air; Ferndiagnosen
Fahrerkomfort:
- Neue Maxcab-Kabine: stufenlose Kabinenerhöhung, ergonomisch optimiert, komfortoptimiert (Klimaautomatik, diverse weitere Annehmlichkeiten für Fahrer)
- Besonders wartungsfreundlich (u. a. wegen Steuerungssystem)
