Vom Reststoff zum Rohstoff: Spanplatten aus 100 % Altholz

Ein innovatives chemisches Verfahren des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung IAP ermöglicht das vollständige Recycling von Spanplatten. Zusammen mit seinen Partnern – der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, System 180 GmbH und PreZero Holz GmbH – zeigte das Institut, dass sich daraus wieder neue Holzbauteile herstellen lassen, ohne Neumaterial einzusetzen. Das Projekt wurde über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe FNR durch das Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat BMLEH gefördert.

Spanplatten sind heute aus der Baubranche und dem Möbelbau kaum mehr wegzudenken. Sie bieten eine hohe Formstabilität, effiziente Verarbeitung und gute Materialausnutzung. Doch bislang endete ihr Lebenszyklus meist mit der Verbrennung. Das Fraunhofer IAP hat nun ein chemisches Recyclingverfahren entwickelt, mit dem sich Holzspanwerkstoffe zu 100 Prozent wiederverwerten lassen – ohne den Zusatz neuer Späne oder Klebstoffe.

  Fertigung und Montage von Bauteilen aus recycelten Werkstoffplatten zur Herstellung eines Demonstrators
© System 180 GmbH / Clemens Richter

Fertigung und Montage von Bauteilen aus recycelten Werkstoffplatten zur Herstellung eines Demonstrators
© System 180 GmbH / Clemens Richter

Chemisches Recycling in der Praxis: Vom alten Schrank zur neuen Platte

Im Projekt »Recycling von Spanholzwerkstoffen (ReSpan)« wurde ein vollständig stoffliches Verwertungskonzept für Holzwerkstoffe erprobt. »Wir nehmen Holz gebrauchter Möbel oder Bauteile, das zerkleinert wurde, behandeln es in einem neuartigen Prozess mit einem eigens entwickelten Recyclingagenz und pressen daraus neue, formstabile Platten«, erläutert Dr. Mathias Köhler vom Fraunhofer IAP, der das Projekt koordiniert. »Das Besondere: Der ursprünglich eingesetzte Harz-Klebstoff wird dabei teilweise gelöst und durch das Agenz gezielt reaktiviert. Das Recyclingagenz lässt sich zu etwa 95 Prozent zurückgewinnen und kann mehrfach eingesetzt werden, ohne an Wirksamkeit zu verlieren«, so Köhler. Dieser chemische Prozess wurde am Fraunhofer IAP im Synthesetechnikum des Fraunhofer-Pilotanlagenzentrums für Polymersynthese und -verarbeitung PAZ bereits erfolgreich in den Technikumsmaßstab übertragen.

Die gewonnene Recyclingmasse verarbeiteten die Forschenden im Anschluss zu Spanplatten. Dieser Schritt kann auf herkömmlichen Anlagen erfolgen. Gemeinsam mit dem Projektpartner System 180 GmbH wurde im Rahmen des Projekts ein Möbeldemonstrator gefertigt, der die Praxistauglichkeit des Verfahrens zeigt. Emissionsmessungen wurden von der HNEE durchgeführt. Weitere Anpassungen des Materials für Bauanwendungen sind derzeit in Arbeit. Die PreZero Holz GmbH analysierte die Sortierstrategien für Altholz und bewertete die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens. Die Pfeifer Holz Lauterbach GmbH stand dem Projekt beratend zur Seite und brachte ihre Erfahrung in der industriellen Verarbeitung von Spanholzwerkstoffen ein.

  Recyclingmasse ist der Ausgangsstoff für das Pressen neuer, formstabiler Spanplatten auf herkömmlichen Anlagen
© System 180 GmbH / Clemens Richter

Recyclingmasse ist der Ausgangsstoff für das Pressen neuer, formstabiler Spanplatten auf herkömmlichen Anlagen
© System 180 GmbH / Clemens Richter

Partner gesucht: Sortierer, Recycler, Harzproduzenten, Holzverarbeiter, Möbelbauer

Das im Projekt entwickelte Verfahren eignet sich insbesondere für die Produktion von Holzwerkstoffen im Bauwesen sowie für die Fertigung von Möbeln. Die System 180 GmbH sieht dabei in dem Verfahren großes Potenzial: »Für uns als Hersteller individueller Möbellösungen eröffnet das Verfahren neue Wege, um nachhaltiges Design mit funktionaler Qualität zu verbinden. Der Einsatz von Werkstoffplatten aus recycelten Hölzern könnte künftig nicht nur ökologisch, sondern auch ästhetisch ein Gewinn sein«, sagt Francesco Coccia Leiter der Vermarktung der System 180 GmbH.

Um das Verfahren in industrielle Anwendungen zu überführen und weiterzuentwickeln, sucht das Konsortium gezielt neue Projektpartner: »Insbesondere Sortierer und Recycler sowie Hersteller von Harzen, Holzwerkstoffen oder Möbeln sind eingeladen, sich zu beteiligen«, erklärt Köhler.

 

Kreislauffähig, emissionsarm, praxistauglich – Unterstützung für die Industrie

Der Druck auf die Branche wächst: Baustoffe und Möbel sollen künftig nicht nur langlebig, sondern auch wiederverwertbar sein. Gleichzeitig steigen die regulatorischen Anforderungen an Emissionen und Sicherheit. Das Fraunhofer IAP unterstützt daher gezielt bei der Entwicklung kreislauffähiger Produkte: »Neben der Entwicklung von Materialien und Harzen sowie der Optimierung der Materialeigenschaften unterstützen wir Unternehmen auch bei der Einhaltung regulatorischer Anforderungen – etwa im Hinblick auf geringe Ausgasung, die Verbesserung der Brandeigenschaften oder die mechanische Belastbarkeit, wie sie etwa bei Bauanwendungen notwendig ist«, so Köhler. „Was bislang als Reststoff galt, kann künftig wertvoller Rohstoff für die industrielle Weiterverarbeitung sein – und das ganz ohne Neumaterial“, fasst Köhler zusammen.

»Wenn es gelingt, Altholz stofflich im Kreislauf zu halten, kann der Bedarf an Frischholz deutlich gesenkt und ein echter Beitrag zur Ressourcenschonung geleistet werden. Das Projekt zeigt, wie sich solche Materialkreisläufe im Bausektor etablieren lassen – ein Ziel, das wir mit der Holzbauinitiative und Kreislaufstrategie des BMLEH konsequent verfolgen«, so Dr.-Ing. Andreas Schütte, Geschäftsführer der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. FNR.

Dr. Mathias Köhler koordiniert das Projekt ReSpan und leitet die Abteilung Halbzeuge im Forschungsbereich PYCO des Fraunhofer IAP. Das Projekt ReSpan wurde im Rahmen der FNR-Förderaufruf »Ausbau der Material- und Energieeffizienz in der Holzverwendung« vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) gefördert. Die Durchführung erfolgte von Juni 2021 bis Dezember 2024 unter dem Förderkennzeichen 2220HV043.

www.iap.fraunhofer.de

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